In der blauen Bucht

In der blauen Bucht

Seine Härchen kribbeln. Nicht wegen der Kinogefühle. Das muss eine Hand gewesen sein. Vorhin, als die Werbung schon lief, rutschte noch jemand neben ihn, flüchtig hatte er feine durchscheinende Finger gesehen, die hielten eine Popcorntüte. Solche Finger müssen soeben über sein Handgelenk gehuscht sein, er hat keinen Zweifel. Ein Versehen gewiss.

Die Kamera schwenkt in die blaue Bucht, da meint er den fein geschliffenen Bogen zweier Fingernägel spüren zu können, es kommt von irgendwoher ein Räuspern dazwischen. Beim dritten Mal glaubt er an keinen Zufall mehr. Fingerkuppen nehmen gelassen Platz. Er meint die Pulse zu spüren. Der kleinste Finger setzt sich in Bewegung, malt auf ihm, hauchdünne Schneckenspuren. Er hat das Gefühl, dass der fremde Finger in ihn hinein wandert, den Arm hinauf, über die Schulter, dann hinunter zum Kreuzbein.

Plötzlich ein weicher Geigenschwall aus den Lautsprecherboxen, direkt neben ihm ein Seufzer. Jetzt wäre der Moment sich anzublicken, durchzuckt es ihn. Er traut sich nicht, schaut geradeaus. Vielmehr ist ihm sein Daumen wichtig, mit dem er von innen heraus sanfte Bewegungen hinauf in die Kinohand sendet. Man versteht sich und streckt sich aus, sucht einen gemeinsamen Rhythmus.

Als Leute um ihn herum lachen, hält er sich für ertappt, zuckt schuldbewusst zusammen, aber es ging bloß um einen witzigen Dialog im Film. Jetzt liegt die Nachbarhand unter der seinen. Sie trägt einen Ring, stellt er fest, er versucht das Motiv zu ertasten, vielleicht eine Krabbe oder eine Blume. Er genießt den Schmuck, fährt ihn viele Male ab.

Vorne naht der Schluss der Vorstellung, die Hände lösen sich im trüben Licht des Abspanns, Zeit aufzustehen, es wenden sich die Rücken zu, man geht nach rechts, man geht nach links. Im Foyer streift er umher, passiert Grüppchen um Gruppe. Händeweise Frauen vor seinen Augen.

Er meint einen Seufzer zu hören, sucht woher er kommt, drängelt sich dorthin, eine Nische. Sie stehen dort zu dritt, zwei Frauen, ein Mann, er stört, fühlt sich wie ein Tier, das sich verlaufen hat. Der Mann trägt an der fein gegliederten rechten Hand einen Silberring mit Krabbe. Er hebt den Kopf und lächelt den Eindringling an mit dem Blick einer Sphinx.

„Entschuldigung“, er trottet zurück, an vielen Plakaten vorbei, kann sich nicht erinnern in einem dieser Filme gewesen zu sein. Der dünner werdende Besucherstrom trägt in durch die Drehtür. Draußen fröstelt ihn, er schiebt die Hände unters Sweatshirt.

© hertz